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Composition With Yellow and Blue

Piet Mondrian fand durch die Auseinandersetzung mit Landschaft zur Abstraktion. Erst ab Anfang der 1920er-Jahre konzentrierte sich der Künstler auf eine komplett gegenstandslose Bildsprache, die sich auf die rechtwinklige Anlage von schwarzen Linien mit Flächen in Weiß und den drei Grundfarben beschränkte. Mondrian selbst nannte diesen Stil Neoplastizismus. Die Frage nach der stilistischen Einordnung von Komposition mit Gelb und Blau ist eng mit den theoretischen Überlegungen zum Neoplastizismus, die Mondrian 1920 schriftlich darlegte, verknüpft.

Im Jahr 1932 lebte Piet Mondrian in Paris. Composition With Yellow and Blue muss in seinem Atelier in der Rue du Départ entstanden sein, in dem er von 1921 bis 1936 arbeitete, wohnte und vielfach Besuch von Freundinnen und Freunden, Sammlerinnen und Sammlern erhielt. Zwischen 1929 und 1932 schuf Mondrian eine Reihe von Bildern, die Composition With Yellow and Blue ähneln, mit grossen gelben Rechtecken und einem kleinen blauen Feld, um die Leuchtkraft des Gelbs zu verstärken. Die Werke dieser Jahre sind für Mondrians Idee des Neoplastizismus wahrscheinlich am typischsten.

 

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Der Malprozess als stetiges Experiment

Das quadratische Gemälde Composition With Yellow and Blue zeigt sich bei erster Betrachtung in der Komposition mit Primärfarben, flächigen, rechteckigen weissen Felder und klaren Linien sehr ausgewogen. So ließe sich vermuten, dass Mondrian dieses strukturiert und absichtsvoll ausgeführt hat.

Die wissenschaftlichen Untersuchungen eröffnen einen anderen Blickwinkel und zeigen, dass Piet Mondrian während der Ausführung des Bildes experimentierte, um eine für ihn perfekte Harmonie zu finden. Die grössten Überraschungen, die ein ganz neues Licht auf Piet Mondrians Arbeitstechnik werfen, lieferten vor allem die mikroskopischen und analytischen Untersuchungen.


Aufnahmen des Werkes in verschiedenen bildgebendend Verfahren geben unterschiedliche Informationen: sichtbares Licht, Streiflicht, Durchlicht, UV-Fluoreszenz, IR-Auflicht, IR-Durchlicht, Röntgen

Variationen in der Komposition

Piet Mondrian erarbeitete oft ähnliche Kompositionsschemata und führte sie in Variationen aus. Am Gemälde Composition With Yellow and Blue setzte er ein Konzept für mehrere Gemälde um und experimentierte mit minimalen Veränderungen der kompositorischen Elemente.

Drei Gemälde annähernd identischer Komposition, ähnlicher Grösse und originalen Rahmenleisten wurden zwischen 1929 und 1932 fertiggestellt.

 

Composition No II, 52 × 52 cm, 1929, Museum Boijmans van Beuningen, Rotterdam (B215) 
 
Composition No II With Yellow and Blue, 52 × 52 cm, 1931, Privatbesitz (B228)
Composition With Yellow and Blue, 55 × 55 cm, 1932, Sammlung Fondation Beyeler (B234), (alle beschnitten, ohne originale Rahmung)
Digitale Bildüberlagerung der drei Gemälde (B215, B228, B234)

 

Wenn man die Bildflächen in einem digitalen Bildbearbeitungsprogramm überlagert, wird deutlich, wie ähnlich sie hinsichtlich der Farbgebung, wie unterschiedlich aber in den Details der Anordnung sind. Piet Mondrian experimentierte mit der Platzierung, der Größe und dem Verhältnis der kompositorischen Elemente zueinander, wobei jedesmal ein anderes und einzigartiges Gemälde entstand. Er «kopierte» oder wiederholte die Komposition nicht einfach, sondern untersuchte, wie subtile Veränderungen zu einem völlig anderen Bildeffekt führen können.

 

 

 

 

 

 

 

Auf der Suche nach der perfekten Farbe

Wie setzte der Künstler dieses Experimentieren in die Praxis um?

Mondrian soll in seinen neoplastischen Gemälden grundsätzlich nur Primärfarben verwendet haben. Gleichwohl – und dies ist kaum bekannt – hat er auch die Grundfarben ausgiebig variiert. Zu unserer grossen Überraschung wurde bei der chemischen Analyse winziger Originalfarbproben in Querschliffen festgestellt, dass an allen Farbflächen mehrere übereinanderliegende separate Farbschichten ausgeführt wurden und diese wiederum in feinen Farbabstufungen pro Malschicht.

 

Betrachtet man zum Beispiel den Querschliff des gelben Quadrats an einem Randbereich zu einer schwarzen Linie, zeigt sich, dass Mondrian dieses Quadrat nicht weniger als sechs Mal in unterschiedlichen Farbnuancen flächig aufgetragen hat. Jede Farbschicht variiert in der Pigmentzusammensetzung, wobei die Hauptfarbkomponente Cadmiumgelb darstellt, ein klassisches Gelbpigment. Es wurden mehr oder weniger Weiß und selbst weitere Pigmente hinzugefügt, um schließlich das «richtige» Gelb zu erreichen, das am besten mit der Komposition harmonierte und offenbar zu Mondrians Zufriedenheit ausfiel.

Bei Ultraviolettbeleuchtung desselben Querschliffs wird der Malprozess durch die unterschiedlichen Fluoreszenzen der einzelnen Schichten noch deutlicher:

  • (1, 2, 3) In den ersten drei Gelbfarbschichten verwendete Mondrian eine nahezu identische Farbzusammensetzung, sichtbar an der sehr ähnlichen orangenen Floureszenzfärbung
  • (5) Dann folgte eine weitere Schicht mit anderer Pigmentzusammensetzung, bläulich unter UV-Beleuchtung
  • (6, 7) Die abschliessenden zwei letzten Farbschichten wurden dann nochmals in der Farbnuance verfeinert und variiert. Piet Mondrian mischte der gelben Cadmiumfarbe weisse Ölfarbe bei, die mit der Farbe der weiss gemalten Rechtecke identisch sind, wie die Analysen bestätigen.

(4)  Schließlich kann noch eine schwarze Schicht aus Beinschwarz festgestellt werden, denn der Querschliff wurde am Randbereich zu einer schwarzen Linie entnommen. Zwischen der ersten Auftragsphase (1, 2 und 3) und der zweiten (5) hat Mondrian vermutlich die schwarze Linie mit dünner Ölfarbe ebenfalls variiert, entweder etwas breiter nachgezogen oder leicht verschoben.

 

Ausgefeilte Maltechnik

Dieselbe Querschliffprobe wurde auch im Rasterelektronenmikroskop sorgfältig untersucht und hier stiess man auf eine weitere interessante Entdeckung. (Die typischerweise mit einem Rasterelektronenmikroskop erzeugten Bilder sind Abbildungen der Objektoberflächenstruktur, weisen eine hohe Tiefenschärfe auf und geben Auskunft zu Elementen.) Hier zeigt sich, dass Mondrian Farbschichten vermutlich fein angeschliffen hat, bevor er die nächste applizierte. Eine bekannte, überlieferte Praxis des Künstlers.

In den oberen drei gelben Farbschichten (5, 6 und 7) finden sich kleine «Inseln» von Pigmentpartikeln, die nicht mit den Bestandteilen umliegender Farbschichten korrespondieren und sich in ihrer Materialzusammensetzung unterscheiden. Vermutlich handelt es sich um nicht gänzlich weggewischte Schleifpartikel, die in die nachfolgende Farbe mit eingemischt wurden.

 

Interessant ist ausserdem, wie es sich bei den anderen Farbflächen verhält. Da bei rein optischer Betrachtung, auch mit der Vergrösserung, wesentlich weniger Farbschichten zu erkennen sind, hat man im Randbereich eines blauen und weissen Farbfeldes ebenfalls an Mikroproben Untersuchungen durchgeführt.

Auch hier liefern die Befunde überraschende Ergebnisse: Sieben unterschiedliche Farbschichten hat der Künstler allein im blauen Rechteck appliziert sowie drei weisse Schichten im mittleren weissen Rechteck am unteren Bildrand.

 

Die Untersuchungsergebnisse verdeutlichen, dass Mondrian das Gemälde über einen längeren Zeitraum bearbeitet hat, indem er in klassischer Ölmaltechnik das Farbkonzept durch neuerlichen Farbauftrag flächig variierte. Er liess die Ölfarbe nach jeder Schicht durchtrocknen. Dies könnte auch die in seiner Korrespondenz häufig beschriebenen Probleme mit Kunden, Galerien und Händlern wegen der langen Entstehungszeit der Gemälde erklären. Unsere Ergebnisse bestätigen die akribische und konzentrierte Umsetzung seiner Vorstellungen in dem Bestreben, ein vollkommenes und universales Gemälde zu schaffen. Piet Mondrian betonte immer wieder, dass der Prozess des Malens an erster Stelle stünde und die Theorie auf dem Malprozess aufbaue, nicht umgekehrt. (Hans Janssen, Piet Mondrian. Een nieuwe kunst voor een ongekend leven. Een Biografie, Amsterdam 2016, S. 41.)

Probeentnahmestelle aus B234
(Querschliffe sind mikroskopische Proben des gesamten Farbpakets von oben nach unten, die dann in ein Harz eingebettet und unter hoher Vergrößerung abgebildet und analysiert werden, um den Schichtaufbau in der Reihenfolge aufzudecken, in welcher der Künstler die Farbe von der ersten bis zur letzten aufgetragen hat.)
während der Probenentnahme

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Optische Illusion

Betrachtet man das Gemälde Composition With Yellow and Blue und konzentriert sich auf die weissen Farbflächen, hat man den Eindruck, dass vor allem das mittlere weisse Quadrat im Farbwert etwas «wärmer» erscheint und sich von den restlichen Feldern leicht unterscheidet. Pigmentuntersuchungen der obersten Farbschichten bestätigen allerdings identische Komponenten aus Zinkweiss in allen weissen Farbflächen. Vermutlich nutzte Mondrian hier die aus der Farbenlehre bekannten optischen Phänomene nah beieinanderliegender Komplementärfarben, zumal sein Interesse für die damals aktuellen Farbenlehren und Theorien wie seine intensive Auseinandersetzung damit bekannt sind.

Auch in der Oberflächenstruktur des Gemäldes fällt ein typisches Merkmal seiner Gemälde auf: der präzise parallele Pinselduktus. An den meisten Farbflächen überwiegt die vertikale Richtung, am mittleren und blauen Quadrat hingegen die horizontale. Vermutlich lässt sich die wahrgenommene «Farbverschiebung» des Quadrates zudem noch mit der unterschiedlichen Oberflächenstruktur begründen.

Der Rahmen als Bestandteil des Gemäldes

Die Bedeutung der originalen Rahmungen als wichtiger Bestandteil der Werke Piet Mondrians wurde am Beispiel des Gemälde Eukalyptus bereits diskutiert und zeigt auf, wie diese neben der Wahl der Farben das Bildkonzept beeinflusst. Am Beispiel des Gemäldes Composition With Yellow and Blue kann dies eindrücklich gezeigt werden.

Der Unterrahmen und die seitlich nach hinten versetzt angenagelten Holzleisten des Gemäldes sind original. Anders verhält es sich mit der Farbfassung, wie die Untersuchungen zeigen. Bei restauratorischen Massnahmen wurde der Rahmen in der Vergangenheit mehrfach übermalt. Ursprünglich hatte er einen weissen Farbton, bestehend aus einem dünnen zweischichtigen Ölfarbenauftrag. Diese beiden Farbschichten, eine Art Grundierungsschicht und eine weisse Farbschicht, entsprechen genau den ersten beiden Ölfarbschichten eines der beprobten weissen Rechtecke auf der Bildseite. Rahmen und Bildfläche wurden also vom Künstler kompositorisch, farblich und materialtechnisch gleich gewertet.

Ein Rekonstruktionsversuch der Farbigkeit ist aufgrund der Befundlage der gut erhaltenen originalen Farbanstriche an ähnlichen Gemälden aus derselben Zeit, etwa Composition With Double Line and Blue (1935) möglich. Beim Vergleich der Detailansichten eines originalen Anstrichs und der Übermalung werden die grossen Unterschiede in Farbigkeit, Oberflächenbeschaffenheit und Glanz deutlich. Unter Umständen erscheint daher für die Zukunft die sachgerechte Entfernung solcher Übermalungen nach sorgfältigen Abklärungen und Tests geboten.

Markierung des beschriebenen mittleren weissen Rechteckes

 

 

 

 

 

Makroaufnahme: sichtbare weisse originale Farbschicht des Rahmens

Vergleich der linken Rahmenecke von Composition With Yellow and Blue (1932)

und Composition With Double Line and Blue (1935)

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TABLEAU NO. I

Das Gemälde hat Mondrian dreimal geändert und erachtete es jedes Mal auch als abgeschlossen mit Signatur und Datum.