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7. August – 27. November 2005

Die Fondation Beyeler zeigt eine grosse Retrospektive des Werkes von René Magritte - einer der faszinierendsten Künstler der Moderne. Seit vielen Jahren ist dies die erste Werkschau Magrittes in der Schweiz. Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit dem Kunstforum Wien, der Fondation Magritte und dem ehemaligen Direktor des Museums Louisiana bei Kopenhagen, Steingrim Laursen, entstanden. Sie zeigt eine Auswahl von rund 95 Werken aus allen Perioden von Magrittes Schaffen, neben vielen der legendären Bilderfindungen auch Gemälde aus Privatsammlungen, die noch kaum jemals vorher ausgestellt worden sind.

Werke

 
La Lectrice soumise. Öl auf Leinwand, 92 x 73 cm. Courtesy Ivor Braka Ltd., London © 2005 ProLitteris, Zürich

Die fügsame Leserin, 1928

René Magritte wurde 1898 in Lessines in Belgien geboren. Er stammte aus dem kleinbürgerlichen Milieu vordergründiger Wohlanständigkeit, hinter dem er seine Person Zeit seines Lebens versteckte. Die korrekte Kleidung, die Melone, die kleine, bescheidene Wohnung mit dem Atelier im Wohnzimmer, das war sorgfältig gehütete Fassade, die „Leichen im Keller“ vermuten lässt. Von diesen Abgründen erzählt seine zu Bildern gewordene Phantasien. Früh zeigte sich Magrittes Begabung und früh verliess er sein Elternhaus, um nach Brüssel zu gehen, wo er, mit Unterbrechungen, von 1916 bis 1921 an der Académie Royale des Beaux-Arts studierte. Beeinflusst von den Surrrealisten und angeregt vor allem durch Giorgio de Chirico begann Magritte Mitte der 20er Jahre seine persönliche Bildsprache und seine charakteristischen Motive zu entwickeln.

 
Le Jockey perdu. Collage, Gouache, Aquarell und Bleistift auf Papier, 38,7 x 55,4 cm. Privatbesitz. © 2005 ProLitteris, Zürich

Der verlorene Jockey, 1926

Eines der frühesten surrealistischen Bilder ist „Le Jockey perdu“ von 1926 („Der verlorene Jockey“). In den Jahren 1927 und 1928 lebte Magritte mit seiner Frau Georgette, die er 1922 geheiratet hatte, bei Paris und hatte Kontakt zu André Breton und den französischen Surrealisten. Durch die Anregungen in Frankreich scheint Magritte nicht nur sein Selbstbewusstsein als Maler gefunden zu haben. Er hat unmittelbar vor, während und nach dem Parisaufenthalt, der bis zu seinem Tod in Uccle bei Brüssel 1967 sein einziger längerer Auslandsaufenthalt bleiben sollte, die verschiedensten Bildmöglichkeiten erprobt, von denen einige bis an sein Lebensende variiert wurden.

 
Le Sens de la nuit. Öl auf Leinwand, 138,4 x 105,4 cm. The Menil Collection, Houston, Inv.70 -34 DJ. © 2005 ProLitteris, Zürich

Der Sinn der Nacht, 1927

Schon 1927 sieht man auf seinen Bildern Männer mit Melone („le Sens de la nuit“, „Der Sinn der Nacht“), ein Motiv, das ihn sein ganzes Künstlerleben begleiten sollte.

 
L’Empire des lumières. Öl auf Leinwand, 146 x 114cm. Privatsammlung. © 2005 ProLitteris, Zürich

Das Reich der Lichter, 1954

An Magritte beeindruckt besonders seine Virtuosität im Umgang mit alltäglichen Bildmotiven, die er in oft schockierender Weise verändert. Damit stellt er nicht nur unsere Sehgewohnheiten in Frage; er beschäftigt sich auch mit der Funktion des Bildes in einer für die Kunst unserer Zeit bahnbrechenden Weise. Auf den ersten Blick fällt die Besonderheit der Serie von Gemälden gar nicht auf, die den Titel „L’ Empire de lumières“(„Das Reich der Lichter“), tragen. Erst langsam erkennt man, dass die dargestellte nächtliche Straßenszene mit dem Schein der Straßenlaternen und den beleuchteten Fenstern von einem hellen, mittäglich blauen Sommerhimmel überstrahlt wird.

 
Le Mois des vendanges. Öl auf Leinwand, 130 x 162 cm. Privatbesitz. © 2005 ProLitteris, Zürich

Der Monat der Weinlese, 1959

Erst langsam wird der beklemmende Kontrast zwischen einem leeren Zimmer und der Menge fast identisch aussehender, die berühmte Magritte’sche Melone tragenden Männer deutlich, die durch ein geöffnetes Fenster in den Raum hineinblicken („Le Mois de vendanges“, „Der Monat der Weinlese“). Dieser Prozess des gemächlichen Erkennens, zu dem Magritte sein Publikum geradezu zwingt, der Vorgang der unausweichlichen Auseinandersetzung mit dem Bild, ist das grosse Faszinosum der Kunst von Magritte.

 
La Trahison des images. Öl auf Leinwand, 64,6 x 94,1 cm. Los Angeles County Museum of Art. Erworben mit Mitteln der Mr. und Mrs.William Preston Harrison Sammlung. © 2005 ProLitteris, Zürich

Der Verrat der Bilder, 1928/29

Kurz vor seinem Tod äusserte Magritte sich über das Gemälde „La Trahison des images“ („Der Verrat der Bilder“): „Die berühmte Pfeife ... Man hat sie mir zur Genüge vorgehalten! Und trotzdem ... können Sie sie stopfen, meine Pfeife? Nein, nicht wahr, sie ist nur eine Darstellung. Hätte ich also unter mein Bild ‚Dies ist eine Pfeife’ geschrieben, so hätte ich gelogen!“ Mit seiner entwaffnend einfachen Bild- und Schriftformel hat Magritte nicht nur gezeigt, dass jedes Bild Abstraktion ist; er hat auch die Wirklichkeit der Bilder relativiert: Weder existiert Sache als Bild, ohne Form zu sein, noch Form als Bild, ohne Sache zu sein. Der „Verrat der Bilder“ besteht darin, dass Bilder fortwährend so tun, als würden sie etwas Reales zeigen, obwohl sie doch „nur“ ein Bild oder ein Abbild von etwas sind.

 
Les Jours gigantesques. Öl auf Leinwand, 116 x 81cm. Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. © 2005 ProLitteris, Zürich

Die gigantischen Tage, 1928

Beklemmende Gewaltdarstellung und latente Erotik sind ein weiteres Markenzeichen Magrittes. Auf dem Bild „Les jours gigantesque“ („Die gigantischen Tage“) ist nur die Frau als ganze Figur zu sehen. Zu einem Teil hat der Mann schon von ihr Besitz ergriffen, wogegen sie sich verzweifelt wehrt. Je mehr der Mann sich vor die Frau schiebt, desto mehr wird er ihre Existenz auslöschen, er, der seine sichtbare Existenz dadurch erhält, dass er von ihrem Körper Besitz ergreift. Kaum je ist körperliche Gewalt, eindringlicher, albtraumartiger, auswegloser dargestellt worden.

 
La Clef des songes. Öl auf Leinwand, 81 x 60 cm. Privatbesitz. © 2005 ProLitteris, Zürich

Der Schlüssel der Träume, 1930

Obwohl er immer verneint hat, von der modernen Psychoanalyse beeinflusst worden zu sein, scheint doch seine Bildserie „La Clef des songes“ („Der Schlüssel der Träume“) den Kern der Sache zu treffen: Bildern von Objekten werden Bezeichnungen zugeordnet, die nicht dazu zu passen scheinen. Ein durch ein bestimmtes Wort definierter Gegenstand kann im Traum oder im Unbewussten etwas ganz anderes, durch ein anderes Wort Bezeichnetes, bedeuten.

 
La Gravitation universelle. Öl auf Leinwand, 100 x 73 cm. Privatbesitz. © 2005 ProLitteris, Zürich

Die universelle Schwerkraft, 1943

Magritte war kein Künstler, der direkt zu politischen Themen Stellung bezog. Trotzdem scheint sein unheimliches Bild eines Jägers, der von einer Mauer verschluckt wird („La Gravitation universelle“, „Die universelle Schwerkraft“, 1943) von Stimmungslagen während der schwierigen Zeiten vor und nach 1945 zu zeugen. Auch hier zeigt sich Magritte als ein Künstler, der zwar direkt und klar und durch makellos „glatte“ Malerei etwas Deutliches zu sagen scheint, dessen eigentlicher Sinn sich aber erst im Prozess des Verstehens ergibt oder als das Magritte’sche „Mysterium“ offenbart.

Katalog zur Ausstellung «René Magritte – Der Schlüssel der Träume»

Zur Ausstellung «Der Schlüssel der Träume», eine umfassende Retrospektive über den rätselhaften belgischen Surrealisten René Magritte, ist dieser Katalog erschienen. Die zuvor bereits in Wien im BA-CA Kunstforum gezeigte Ausstellung vermittelt ein umfassendes Bild vom künstlerischen Werk Magrittes.

Der Katalog ist im Ludion Verlag, Gent, erschienen. Er enthält Beiträge von Steingrim Laursen, Siegfried Gohr und Michel Draguet sowie einen umfangreichen Tafelteil mit Bildkommentaren von Evelyn Benesch und Ulf Küster. Der Band umfasst 204 Seiten mit 125 Farbabbildungen.

Link zum Katalog