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27. Januar – 26. Mai 2013

Die Fondation Beyeler zeigt als erstes Schweizer Museum eine umfassende Ausstellung zu Hodlers Spätwerk. Seine internationale Bedeutung für die Kunst der Moderne wird gerade in diesen letzten Schaffensjahren sichtbar.

Ferdinand Hodler, der wie kein anderer Maler in seinen Gemälden das Bild und das Selbstverständnis der Schweiz prägte, war zugleich einer der wichtigsten Künstler des Übergangs vom 19. Jahrhundert zur Moderne. Die rund 80 Bilder umfassende Ausstellung in der Fondation Beyeler konzentriert sich auf Werke, die er in den letzten fünf Jahren seines Lebens gemalt hat (1913–1918). Damals musste der aus sozial schwierigen Verhältnissen gekommene Künstler sich niemandem mehr beweisen: Er war wohlhabend und berühmt geworden. In seinen Gemälden greift er die Themen, die ihn sein ganzes Leben beschäftigen wieder auf. Er stellt sie in Serien und Variationen dar: Seine Auseinandersetzung mit dem Selbstportrait, die legendären Darstellungen der Schweizer Alpenwelt, seine  Faszination für Frauen und den Tod. Seine Werke werden immer radikaler und abstrakter. Hodler wird zum Vorläufer der modernen Malerei. Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit der Neuen Galerie, New York, entstanden. Die Leihgaben stammen aus renommierten Schweizer und amerikanischen Privatsammlungen und namhaften nationalen und internationalen Museen. Kuratoren der Ausstellung sind Ulf Küster (Fondation Beyeler) und Jill Lloyd (Neue Galerie).

Saalheft

Selbstbildnisse 

In seinem Spätwerk widmet sich Ferdinand Hodler besonders intensiv dem Selbstbildnis. In seinen späten Selbstporträts lenkt nichts mehr vom Gesicht des Malers ab: Er hat es zur Meisterschaft gebracht, Realismus und Innenschau miteinander zu verbinden. Wie alpine Landschaften modelliert der Maler das zerfurchte und oft ernste Gesicht mit zunehmend sichtbarerem Pinselstrich.

Berge und Berglandschaften

Wie keinem anderen Maler ist es Ferdinand Hodler gelungen, Bildformeln für die Ansicht von Schweizer Bergen und Bergketten zu finden. Viele seiner einmal gefundenen Sujets wiederholte er auch im Spätwerk oft und entwickelt sie weiter, so etwa die Stockhornkette mit Thunersee, die Dents du Midi, den Grammont oder die Jungfrau. Sein Repertoire umfasst aber auch kleinere Ausschnitte, wie die Serie von Bergbächen bei Champéry. Auch das imposante Jungfraumassiv mit dem Schwarzmönch im Vordergrund stellt Hodler in einer Nahansicht dar, als ob er die beiden Gipfel mit dem Fernglas herangeholt hätte. Gerade deshalb wirkt die dargestellte Szenerie überhöht.
Oft sind die Bergansichten Hodlers auch als Selbstbildnisse verstanden worden: Der einsame Gipfel als Sinnbild für Lebenskraft und Standhaftigkeit des Individuums oder aber als Symbol seiner Einsamkeit.

Valentine Godé-Darel

Valentine Godé-Darel war Hodler wichtiges Modell für zahlreiche Figurenbildnisse, sie war seine Geliebte und wurde Mutter seiner Tochter Paulette. Als sie am 13. Oktober 1913 seine Tochter gebar, war sie bereits an Krebs erkrankt. Sie starb am 25. Januar 1915. Das Zusammentreffen von Geburt, Krankheit und Tod hat Hodler wie kein anderes Ereignis in seinem Leben zeichnend und malend festgehalten und so verarbeitet. Der inzwischen berühmt gewordene Zyklus sorgt nach wie vor für Irritation. Die Frage nach den Beweggründen Hodlers, die zu dieser sehr intimen und schonungslos genau beobachteten Wiedergabe des Zerfalls eines nahestehenden Menschen geführt haben, ist wohl nicht endgültig zu beantworten. 

Genfer See

In seinen letzten Lebensmonaten widmete sich Ferdinand Hodler fast ausschliesslich der Darstellung des Genfersees mit Mont Blanc in wechselndem Tageslicht. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes konnte er seine Genfer Wohnung nur noch selten verlassen und malte deshalb, was sich ihm von seinem Fenster aus darbot. So entstand die berühmte, über 20 Gemälde umfassende Serie, die das Zusammenspiel der Wasser- und Himmelsfläche mit der sich davon abhebenden Bergkette in wechselnden Lichtverhältnissen zeigt.

Blick in die Unendlichkeit

Erstmals seit vielen Jahren bietet sich die Gelegenheit das 446 x 895 cm grosse Gemälde Blick in die Unendlichkeit zu sehen. Ursprünglich war das Werk für das Kunsthaus Zürich als Wandgemälde im Treppenhaus geplant. Es sollte sich jedoch als zu gross herausstellen und fand schliesslich seinen Weg in die Öffentliche Kunstsammlung Basel. Für zwei seiner grossen Themen, die Frau und der Tod, hat Hodler hier ein bestechendes Bild gefunden. Denn die Unendlichkeit war für Hodler eng mit dem Gedanken des Todes verbunden: „Er [der Tod] ist furchtbar und doch schön, weil er das Individuum mit dem Ganzen verbindet, weil er zugleich das Mysterium und das Unendliche ist und weil es ihn gibt.“ 

Rundgang durch FERDINAND HODLER mit Kurator Ulf Küster

Ferdinand Hodler in der Fondation Beyeler. Rundgang mit Kurator Ulf Küster.

Katalog zur Ausstellung

Ferdinand Hodler (1853–1918) hat in den letzten Lebensjahren seine Malerei entscheidend weiterentwickelt und einige seiner bedeutendsten und berührendsten Meisterwerke geschaffen. In Serien und Variationen verlieh er seinen großen Lebensthemen neu und befreit Gestalt: der Schönheit der Schweizer Berge und Seen, seiner Faszination für Frauen sowie der Auseinandersetzung mit der eigenen Existenz und dem Tod. Die Publikation bietet erstmals eine große Übersicht über Hodlers Spätwerk der Jahre von 1913 bis 1918. Sie zeigt Selbstbildnisse des Künstlers, die eindrückliche Serie über das Leiden und Sterben seiner Geliebten Valentine Godé-Darel sowie viele wunderschöne, aus der Nah- wie aus der Fernsicht und zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten gemalte Panoramen der Alpen und des Genfersees. Ein Höhepunkt ist dabei seine Figurengruppe Blick in die Unendlichkeit, ein monumentales Wandgemälde.

Zur Ausstellung Ferdinand Hodler ist im Hatje Cantz Verlag ein Katalog erschienen. Er enthält ein Vorwort von Sam Keller und Ulf Küster, Essays von Oskar Bätschmann, Sharon Hirsh, Ulf Küster, Jill Lloyd und Paul Müller sowie einen Exkurs von Peter Pfrunder.
212 Seiten, 197 Abbildungen.

Link zum Katalog

Biographie

Ferdinand Hodler, 1853–1918


1853   
Geburt Ferdinand Hodlers am 14. März in Bern als ältestes von sechs Kindern. Der Vater Johann Hodler ist Tischler, die Mutter Margareta arbeitet unter anderem als Köchin.

1860    Der Vater stirbt an Tuberkulose.

1861    Die Mutter heiratet den Dekorationsmaler Gottlieb Schüpbach. Die Familie lebt in ärmsten Verhältnissen.

1867    Am 27. März erliegt auch die Mutter der Tuberkulose. Bis 1885 wird die Tuberkulose auch alle Geschwister Hodlers dahingerafft haben. Hodler beginnt eine Lehre beim Veduten- und Dekorationsmaler Ferdinand Sommer in Thun.

1872    Hodler lässt sich in Genf nieder, wo er im Musée Rath Gemälde von Alexandre Calame und François Diday kopiert. Dort wird der Maler Barthélemy Menn auf ihn aufmerksam und nimmt ihn als Freischüler in seine Malklasse auf.

1877    Erste Reise nach Paris. Beendigung der Ausbildung bei Menn.

1878    Spanienreise. Aufenthalt in Madrid.

1881    Teilnahme am Pariser Salon mit dem Selbstbildnis Der Zornige. Mitarbeit an Edouard Castres’ Bourbaki-Panorama.

1884    Begegnung mit Augustine Dupin, die Hodler Modell steht und seine Geliebte wird.

1887    Hodler lernt Bertha Stucki kennen, die 1889 seine Frau wird. Hodlers und Augustine Dupins Sohn Hector wird am 1. Oktober geboren. Eine Einzelausstellung in Bern ist ein Misserfolg.

1890    Das erste grossformatige Bild entsteht: Die Nacht. Das Gemälde begründet Hodlers Ruhm als einer der wichtigsten symbolistischen Maler.

1891    Der Genfer Stadtpräsident verhindert die Ausstellung des Gemäldes Die Nacht im Musée Rath, worauf Hodler es mit grossem Erfolg auf eigene Rechnung im Genfer Wahlgebäude zeigt. Scheidung von seiner Frau Bertha.

1894    Für die Weltausstellung in Antwerpen malt Hodler die Dioramen Aufstieg und Absturz, die heute nur noch in Fragmenten existieren.

1896/97    Gewinn des Wettbewerbs für die Ausmalung des Waffensaals im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich. Hodlers Entwürfe lösen eine heftige Kontroverse aus. In seinem in Fribourg gehaltenen Vortrag »La mission de l’artiste« formuliert Hodler seine künstlerischen Ziele.

1898    Heirat mit Berthe Jacques, die ihm seit 1894 Modell steht.

1900    Hodler wird Mitglied der Berliner Secession und korrespondierendes Mitglied der Wiener Secession. 1903 folgt die Mitgliedschaft in der Münchener Secession.

1901    Das Kunstmuseum Bern erwirbt vier symbolistische Hauptwerke: Die Nacht, Der Tag, Enttäuschte Seelen und Eurhythmie.

1904    Hodler ist Ehrengast der Wiener Secession und stellt dort 31 Bilder aus. Der grosse Erfolg macht ihn international bekannt.

1907    Auftrag der Universität Jena für das Wandbild Auszug deutscher Studenten in den Freiheitskrieg von 1813. Auftrag der Schweizerischen Nationalbank für die Gestaltung von Geldscheinen.

1908    Valentine Godé-Darel wird Hodlers Modell und seine Geliebte.

1909    Die Ausstellung des Bildes Die Liebe im Künstlerhaus Zürich löst einen Skandal aus.

1911    Auftrag für das Monumentalgemälde Einmütigkeit im Neuen Rathaus von Hannover, das 1913 fertiggestellt wird.

1913    Hodler wird Offizier der Ehrenlegion. Paulette, die Tochter von Hodler und der bereits an Krebs erkrankten Valentine Godé-Darel, wird am 13. Oktober geboren.

1914    Hodler ist Mitunterzeichner des »Genfer Protests«, der sich gegen die Beschiessung der Kathedrale von Reims durch deutsche Truppen wendet. Er wird dadurch in Deutschland zur Persona non grata.

1915    Am 25. Januar Tod von Valentine Godé-Darel, deren Krankheit und Sterben Hodler zeichnend und malend begleitet hat. Der mit Lungenproblemen kämpfende Hodler geht zur Kur nach Néris-les-Bains bei Vichy.

1917    Das Monumentalgemälde Blick in die Unendlichkeit wird im Kunsthaus Zürich angebracht. Die erste, 1916 vollendete und grösste Fassung des Gemäldes befindet sich heute im Kunstmuseum Basel. Die Ausstellung von 606 Werken Hodlers im Kunsthaus Zürich ist ein enormer Erfolg. Weil Hodler seine Wohnung aufgrund einer Lungenkrankheit immer seltener verlassen kann, beginnt er die Serie von Darstellungen der Morgenstimmung über dem Genfer See vom Balkon aus zu malen.

1918    Hodler wird Ehrenbürger von Genf. Am 18. Mai entstehen die letzten Aufnahmen des Künstlers mit seiner Familie. Fotografin ist die Kunstsammlerin und enge Freundin Hodlers, Gertrud Dübi-Müller. Er stirbt am 19. Mai in seiner Wohnung.