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18. März – 22. Juli 2007

Die erste Sonderausstellung im Jubiläumsjahr widmet die Fondation Beyeler dem norwegischen Maler und Grafiker Edvard Munch (1863–1944). Im Mittelpunkt der gross angelegten Retrospektive steht die Bedeutung des Künstlers als Vorläufer und Begründer des Expressionismus, dessen Werk einen unentbehrlichen und eigenwilligen Beitrag zur Moderne darstellt.

Munchs Auseinandersetzung mit den tiefsten menschlichen Gefühlen wie der Einsamkeit und der Liebe ebenso wie seine Beschäftigung mit dem Tod sind schonungslos und eindringlich. Werden und Vergehen, Zerstörung und Schöpfung sind seine Themen, die er mit vielfältigen Mitteln zur Darstellung bringt. Munch überschreitet konsequent die historischen Gattungsgrenzen zwischen Malerei und Druckgrafik, dabei bedient er sich auch der Fotografie. Sein unkonventioneller Umgang mit Motiv und Material eröffnet bereits zur Jahrhundertwende einen Ausblick ins fortgeschrittene 20. Jahrhundert.

Gezeigt werden rund 130 Gemälde, 80 Zeichnungen und druckgrafische Arbeiten aus allen Schaffensperioden des Künstlers. Damit ist die Schau eine der grössten Munch-Ausstellungen ausserhalb Norwegens überhaupt.

Die Ausstellung in Riehen versammelt Leihgaben aus zahlreichen amerikanischen und europäischen Museen und präsentiert neben Munchs Hauptwerken zudem erstmals eine grosse Anzahl bisher nicht zugänglicher privater Leihgaben. Die Ausstellung kuratiert Dieter Buchhart in Zusammenarbeit mit Christoph Vitali, Ulf Küster und Philippe Büttner.

Saalheft

1880 - 1890

Munchs frühe Auseinandersetzung mit Naturalismus, Impressionismus und Symbolismus

Bereits in frühen Jahren war Munchs Umgang mit Material und Technik experimentell und unkonventionell. Unter dem Einfluss der Bohème von Kristiania (heute Oslo) entfernte sich der junge Künstler zusehends von der Freiluftmalerei, stellte den Menschen in den Mittelpunkt seiner Auseinandersetzung. Mit seinem unkonventionellen Farbauftrag distanzierte er sich in Werken wie Selbstporträt vom Naturalismus. Mit großer Unmittelbarkeit trug er die Farbe in mehreren Schichten zum Teil mit dem Palettmesser auf, riss die Farboberfläche wieder auf, indem er Farbbereiche wieder abschabte, in die Farbhaut kratzte und Werke mit spürbarem Farbkörper schuf.

1892 - 1896

Berlin: Das Experiment Malerei als Zeichen der Moderne

Ende 1893 setzte sich Munch in einer Einzelausstellung in Berlin erstmals mit Gestaltungsprinzipien des „Lebensfrieses“ auseinander. Neben anderen Motiven berücksichtigte er dabei auch Der Kuss, Madonna, Melancholie und Der Schrei (Verzweiflung). Der Lebensfries, den Munch bereits zuvor in seinen literarischen Notizen und Skizzen zu entwickeln begann, ist jedoch keineswegs eine starre Aneinanderreihung bestimmter Sujets, sondern vielmehr ein Programm der Offenheit und Austauschbarkeit im Sinne von Thema und Variation

1896 - 97

Druckgrafik: ein Ausblick ins 20. Jahrhundert

Ende Februar 1896 übersiedelt Munch nach Paris und widmete sich intensiv der Druckgrafik, zunächst der Lithographie. Im Herbst des gleichen Jahres1896 beginnt er sich eingehend mit dem Holzschnitt auseinander zu setzen und schafft in kurzer Zeit seine ersten fünf Holzschnitte, darunter Angst. Die ersten Abzüge sind von stark experimentellem Charakter. Munch beschäftigt sich mit dem Druckprozess, der Vermittlung zwischen verschiedenen Materialien und sucht das Potential der Druckfarbe und des Ausgangsmaterials Holz auszuloten

1898 - 1908

Stilwandel und Zusammenbruch

In Selbstbildnis in der Hölle führt Munch seine Verletzlichkeit vor, die er durch den Verlust eines Fingergliedes schmerzlich erfahren hatte, worauf er in einem Brief an Jappe Nilssen am 12. November 1908 auch wieder verweist: „Es sind ja Wunden aus Norwegen – die mir das Leben zu einer Art Hölle gemacht haben.“ Das flammenhafte Widerspiel von Licht und überdimensionalem Schatten im Hintergrund und die angedeutete Schnittwunde am Hals, die seinen geröteten Kopf vom gelben Körper trennt, verweisen auf den schmalen Grat zwischen Leben und Tod. Sein künstlerischer Erfolg und Durchbruch in Deutschland änderte in diesen Jahren nichts an Munchs tiefer Krise, die sich in Alkoholabhängigkeit und psychischen Problemen widerspiegelte.

1909 - 1919

Fotografie, Film und Bewegung

Munch interessierte sich sehr für die neuen künstlerischen Möglichkeiten der Photographie und kopierte in seinen Gemälden z. T. photographische Effekte wie die Doppelbelichtung. Auch der noch junge Film faszinierte ihn. Dies erkennt man u.a. im Werk Arbeiter auf dem Heimweg. Vergleichbar filmischen Massenszenen in Dokumentarfilmen, Wochenschauberichten und Historienfilmen marschieren die Arbeiter hier sozusagen „unter der Kamera“ vorbei. Die Darstellung verweist mittels der wahrnehmbaren Steigerung von räumlicher Tiefe, der Bewegung aus dem Bild und der markant verzerrten Körperperspektive auf das kinematografische Bild. Dadurch gelingt es Munch, den Betrachter geradezu physisch mit der Arbeiterthematik zu konfrontieren.

1919 - 1944

Auflösung und Temporäres in Munchs Spätwerk

In den letzten Jahren vor seinem Tod intensivierte Munch noch seine Auseinandersetzungen mit Transparenz und Auflösung als Todessymbolik. Die Abspaltung des Schattens im Selbstporträt weist bereits auf den Moment des Sterbens hin, die Transparenz des Körpers auf dessen Auslöschung. Am 23. Januar 1944 starb Edvard Munch in seinem Haus in Ekely, in dem er seit 1916 zumeist gelebt hatte.

1920 - 1944

Späte Druckgrafik und das Verschwinden des Motivs

Munchs druckgrafisches Werk umfasst mehr als 750 Motive und bis zu 30.000 Abzüge. Aufgrund der unkonventionellen Arbeitsweise des Künstlers ist eine exakte zeitliche Zuordnung oft kaum möglich. Munch selber äusserte: „Ich habe ständig an meinen Grafiken weitergearbeitet und mit verschiedenen Abzügen experimentiert – oft verwende ich Grafiken als Mittel zum Zeichnen und Handkolorieren.“ In den 1930er und 40er Jahren steigerte Munch in einer Reihe von Holzschnitten den Einsatz der Holzmaserung bis zum Verschwinden des Motivs in dieser. In Sternennacht bleibt es noch entschlüsselbar

Katalog «Edvard Munch»

Zur Ausstellung erscheint ein reichhaltig bebildeter Katalog im Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, mit Beiträgen von Dieter Buchhart, Øivind Storm Bjerke, Philippe Büttner und Ulf Küster sowie einführenden Kapiteltexten. Der Band umfasst 288 Seiten mit 258 Abbildungen in Farbe.

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