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Nachvollzogene Arbeitsweise

Nach dreijähriger umfassender kunsthistorischer Erforschung, Konservierung und Restaurierung konnte die Fondation Beyeler im Jahr 2012 das grösste Restaurierungsprojekt ihrer Geschichte erfolgreich abschliessen: Die wissenschaftliche Erforschung von Henri Matisse’ Acanthes (1953, 311,7 x 351,8 cm), einem Hauptwerk aus der Serie seiner grossformatigen «Papier découpés». Kooperationspartner bei diesem Projekt war der internationale Kunstversicherer Nationale Suisse. 

Ausgangslage

Das Forschungsprojekt hatte zum Ziel, die Entstehung der Scherenschnitte von Matisse kunsthistorisch zu erforschen, den Zustand von Acanthes zu beurteilen und notwendige Restaurierungsarbeiten zu bestimmen und zu realisieren. Dazu führten die Restaurator:innen eine intensive technologische Untersuchung durch, sichteten sechzig Vergleichswerke und rekonstruierten selbst ein «Papier découpé». Wichtiges Element des Projekts war zudem der Austausch mit Expert:innen nationaler und internationaler Sammlungen, um vergleichbare Herausforderungen hinsichtlich Konservierung und Restaurierung zu diskutieren.

Eine grosse Herausforderung der Konservierung und Restaurierung von Acanthes ist der komplexe, mehrschichtige Bildaufbau, den es zu stabilisieren gilt. Die Gouachefarben, Papiere, Klebstoffe und Gewebe sind jeweils unterschiedlichen natürlichen Alterungsprozessen unterworfen. An den ungeschützten Randbereichen zum Beispiel entstanden Risse, Knicke und Flecken.

Das Projekt wurde von den Restauratoren Markus Gross, leitender Gemälderestaurator der Fondation Beyeler, und Stephan Lohrengel, Papierrestaurator, sowie dem Kurator Ulf Küster betreut.  Die Restaurierungsarbeiten konnten in einem eigens für das Publikum einsehbaren Showatelier über die gesamte Zeit mitverfolgt werden.

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Matisse’ Arbeitsweise

Eine der zentralen Erkenntnisse betrifft die Arbeitsweise von Henri Matisse. Etwa die Hälfte aller 220 Scherenschnitte wurde auf Leinwand montiert, um sie zu stabilisieren. Diese Arbeit wurde bei der Firma Lefebvre-Foinet vorgenommen. Das Verfahren hatte Matisse zu Lebzeiten entwickelt und genehmigt. Im Atelier wurden viele Arbeitsschritte nicht von Matisse selbst, sondern von Assistierenden unter der Aufsicht des Künstlers vorgenommen. Die Papiere wurden von ihnen bemalt und an der Wand befestigt. Das entscheidende Element im Arbeitsprozess lag jedoch in den Händen des Künstlers: das Schneiden und die Komposition

Pinnlöcher

Auf den Formen und im Hintergrundpapier befinden sich unzählige Pinnlöcher als Teil des Arbeitsprozesses von Matisse. Sie stammen von der Befestigung der Formen an der Atelierwand. An ihnen lässt sich auch ablesen, dass sich das Werk von den blauen Formen ausgehend entwickelte, da dort besonders viele Pinnlöcher sind. Vor der Abnahme der Formen von der Wand wurden die herausstehenden Nägel durch Nadeln ersetzt. Mit diesen wurden die Formen auf dem Hintergrundpapier befestigt. Anschliessend wurde ein Transparentpapier über das Werk gelegt, um die Formen abzuzeichnen. Auch die Knicke in den grünen Formen sowie die gut sichtbaren Kohlelinien stammen aus dem Atelier und sind keine Beschädigungen, sondern Teil des Arbeitsprozesses und der Technik von Henri Matisse’.

Guter Zustand des Scherenschnitts

Die Untersuchungen haben gezeigt, dass Acanthes im Vergleich zu anderen grossformatigen «Papier découpés» von Henri Matisse gut bis sehr gut erhalten ist. Es waren nur minimale Stabilisierungen notwendig und wenige Schwachstellen mussten optimiert werden. Zugleich gilt der Aufbau mit dreizehn verschiedenen Schichten aus Papier, Klebstoffen, Leinwand und Keilrahmen als stabil. Auch im Darstellungsbereich stellten die Restaurator:innen keine grösseren Beschädigungen fest. Dies ist zum einen den verwendeten hochwertigen Materialien und der guten Arbeit der Montierung zu verdanken. Zum anderen wurde das Werk frühzeitig durch eine Verglasung geschützt.

Neue Rahmung

In der Sammlung Beyeler ist Acanthes das grösste gerahmte und verglaste Bild. Ein Rahmen stabilisiert die Struktur, und durch eine spezielle Verglasung werden empfindliche Oberflächen vor Schmutz, mechanischen Beschädigungen und schädigenden Lichtstrahlungen geschützt. Die Neurahmung des Werks soll die nach Matisse «auf das Wesentliche reduzierte Form» akzentuieren. Während des intensiven Findungsprozesses arbeiteten die Restaurator:innen eng mit Rahmenspezialist:innen und den Kurator:innen der Fondation Beyeler zusammen.

HENRI MATISSE: BIOGRAFIE

Der französischer Maler, Bildhauer und Grafiker studiert in Paris u.a. an der Académie Julian und der École des Beaux-Arts. Um 1900 schafft er seine ersten Plastiken, zur gleichen Zeit beginnt er unter dem Einfluss Monets, Cézannes und Gauguins in leuchtenden reinen Farben zu malen. Im Salon d’Automne erringt er als führender Kopf der Fauves besondere Aufmerksamkeit. Nach einer Reise nach Algerien 1906 entstehen erste Holzschnitte und Lithografien. 

Schon früh versucht er, das Räumliche und Körperliche ins Flächig-Dekorative zu übersetzen. In seinen Intérieurs und Stillleben stehen dabei zunächst dreidimensionale realistische Formen und Figuren neben Arabesken-Motiven. Nach dem einschneidenden Erlebnis der Islam-Ausstellung in München 1910 und einer Reise nach Marokko 1912 betreibt er reine Flächenmalerei. Der Teppich, das Sinnbild für den Garten des Glücks in der islamischen Kunst, durchzieht als Bildmotiv sein gesamtes Werk. Er strebt eine sakrale Kunst voller Ruhe und Harmonie an, an der alle teilhaben können. Ende der 1920er-Jahre wendet er sich der Wand- und Architekturmalerei zu. Während des Zweiten Weltkriegs lebt er in Nizza und Vence, dann kehrt er nach Paris zurück. 1948 entstehen die ersten Gouaches découpées, 1947 bis 1951 malt er die Chapelle du Rosaire in Vence aus.

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