1. Oktober 2017 – 21. Januar 2018
Die Ausstellung widmet sich einem bis jetzt noch kaum untersuchten Aspekt in Paul Klees Schaffen – der Abstraktion. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird die Abkehr vom Gegenständlichen und die Entwicklung abstrakter Kunst zu einem Hauptthema für viele europäische Künstler. Auch der Schweizer Künstler Paul Klee wendet sich dieser Herausforderung zu: In seinem fast 10.000 Arbeiten umfassenden Oeuvre lassen sich – vom Früh- bis zum Spätwerk – überaus spannende Beispiele für die Entwicklung abstrakter Bildwelten sowie für Abstraktionsprozesse in der Malerei beobachten. Die wichtigsten Aspekte in Klees ungegenständlichen Werken sind dabei in seinem ganzen Schaffen von zentraler Bedeutung: Natur, Architektur, Musik und Schriftzeichen.
Die Ausstellung mit retrospektivem Charakter umfasst rund 100 Werke des Künstlers aus allen Schaffensphasen – beginnend mit dem Jahr 1913 – und versammelt wertvolle Leihgaben aus zahlreichen renommierten Institutionen und Privatsammlungen in Europa und Übersee. Neben den Hauptwerken werden bis jetzt nur selten ausgestellte Arbeiten gezeigt, die den Künstler in einem überraschend neuen Licht erscheinen lassen.
Mit 20 Werken ist Paul Klee zusammen mit Pablo Picasso der am stärksten vertretene Künstler der Sammlung Beyeler. Als Sammler und Galerist engagierte sich der Gründer unseres Museums Ernst Beyeler auf vielfältigste Art und Weise für Paul Klees Schaffen. Rund 500 Werke gingen durch die Hände des Sammlers und Galeristen. Beyelers Sammlungspassion galt hauptsächlich dem Spätwerk Klees, das er „wegen der farblichen Qualität und der Ausdrucksstärke“ besonders schätzte. Im Laufe der Jahre ist es Beyeler gelungen, eine hochkarätige Sammlung zusammenzutragen, zu deren Schlüsselwerken Gemälde wie Aufgehender Stern, 1931, 230 (V 10), Zeichen in Gelb, 1937, 210 (U 10).
AUDIOGUIDE
Erwachsene D, E, F
CHF / € 8.-
Art Club: CHF / € 7.-
Dauer: 45 Min
Erhältlich am Infodesk
im Museum.
Hörbeispiel
Werke
Fuge in Rot, 1921, 69
Im Aquarell Fuge in Rot strebt eine Formation aus geometrischen Gebilden in Richtung des rechten Bildrands. Jede Form wird mehrfach wiederholt und wechselt dabei von einem dunklen zu einem helleren Ton im Spektrum von Rot und Rosa, wird grösser und wieder kleiner. Der Titel gibt Aufschluss: Die Fuge bezeichnet in der Musik eine kompositionelle Form, die von Wiederholung und Mehrstimmigkeit bestimmt ist. So wird im Laufe der Fuge eine Melodielinie mehrmals in unterschiedlichen Höhen nachgeahmt – wenn die zweite Linie in einer anderen Tonhöhe einsetzt, hat sich die erste Linie bereits gewandelt. Beide können an sich auch selbstständig funktionieren und verbinden sich doch in einem harmonischen Zusammenspiel. Sprachlich kann das Wort »Fuge« sowohl auf fugere (flüchten) als auch auf fugare (jemanden in die Flucht schlagen) zurückgeführt werden. Beide lateinischen Begrifflichkeiten legen eine Beschleunigung nahe, bei der Schritte schneller werden, die Zeit verrinnt, der Ort entschwindet. Klee erweitert sein Bild so um eine abstrakte Dimension, in der das flüchtige Medium Musik darstellbar wird.
Die Kapelle, 1917, 127
Klees Kunst wird in ihrer Entfaltung von den beiden grossen Kriegen des 20. Jahrhunderts flankiert. Drei Monate nach der legendären Tunisreise im Frühling 1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Der Zweite Weltkrieg war noch kein Jahr alt, als Klee 1940 in Muralto starb. Als er Die Kapelle malte, war er selber Soldat, zu seinem Glück lediglich als Schreiber in einer deutschen Fliegerschule. Als Künstler war er da bereits längst in der Lage zu »fliegen« … und wie! Das Blatt zeigt Klees voll entwickeltes Vermögen, in Gestalt einer träumerisch anmutenden Komposition aus präzisen geometrischen und zugleich zutiefst beseelten Farbabstufungen eine neuartige Räumlichkeit in das traditionelle Bildgeviert einschreiben zu können. Aus einer bräunlichen Grundschicht erheben sich von verschiedenen Seiten her Berge und umfassen Architekturen, die transparent und dreidimensional erscheinen. Wie die Motive einer Spielkarte – die Monde zeigen es an – sind die zauberhaften Gebäude von unten wie von oben her lesbar.
prämierter Apfel, 1934, 215 (U 15)
Der titelgebende Apfel ist nur aufgrund seines Stiels und des Blütenkelchs als solcher erkennbar. Vielmehr nimmt man in dieser Komposition die fast runde Form wahr, die das quadratische Bildfeld nahezu vollständig ausfüllt. Der Umriss dieses Runds ist wie alle Bildelemente dunkelbraun gezeichnet, dazu noch mit einer hellen lila Linie gedoppelt, wodurch die Form regelrecht nach vorne springt respektive zu den Bildrändern drängt. Der umgebende Raum wird durch eine Horizontale angedeutet, die man als Bodenkante oder als Tischrand identifizieren kann. Im Hintergrund ragt eine Leiter über den Bildrand hinaus, wobei verborgen bleibt, wohin sie führt. Durch seine gewaltige Dimension schiebt der Apfel die Leiter zurück in den Bildraum, das ungleiche Grössenverhältnis der beiden Motive erzeugt eine eindrückliche Tiefenwirkung. Klee inszeniert hier ein raffiniertes Spiel mit geometrischen Gesetzmässigkeiten und optischen Vorgängen.
Zeichen in Gelb, 1937, 210 (U 10)
Ernst Beyeler bezeichnete Zeichen in Gelb einmal als »einen Teppich des Lebens«. Tatsächlich mutet die leuchtende, mit schwarzen Zeichen durchwirkte Farbkomposition sehr lebensfroh an. Gleich einem gewebten Teppich setzt sich der helle Grund aus unregelmässig geformten Rechtecken zusammen. Die schwarzen Zeichen und Symbole, die teils vom Rand aus ins Bild hineinwachsen, dienen dabei der Abgrenzung einzelner Flächen. ludus Martis (»Spiel des Mars«, eine auf Horaz zurückgehende poetische Umschreibung für den Krieg) hingegen weist keine Ordnung mehr auf. Hier schweben ausgesprochen dicke, dominante Zeichen und Bruchstücke über einem blauen Grund, als befänden sie sich in einem Kampf um den geringen Freiraum, der ihnen zur Verfügung steht. Sie formen sich zu Pfeilen, einem Gesicht oder gar Phallussymbolen. Die gelbe Umrandung hebt sie hervor, der rote Malrand betont nochmals die gesamte Komposition. 1937 setzte eine letzte, sehr intensive Schaffensphase Klees ein, deren Stil von einer markanten Vereinfachung geprägt war. Als Grundvokabular dienten die schwarzen Balken oder Linien, die sich frei auf leuchtenden Farbfeldern verteilen und unterschiedliche Wirkungen hervorrufen.
Biographie
Am 18. Dezember 1879 kommt Paul Klee in Münchenbuchsee bei Bern als zweites Kind von Hans (1849–1940) und Ida Klee (1855–1921), geborene Frick, zur Welt. Drei Jahre zuvor wurde seine Schwester Mathilde (1876–1953) geboren. Der Vater arbeitet als Musiklehrer am Staatlichen Lehrerseminar Hofwil/Bern, die Mutter ist ausgebildete Sängerin.
Jenny Holzer liest aus ihrem Katalogtext
Katalog «Paul Klee»
Paul Klee (1879–1940) zählt zu den einflussreichsten Malern der europäischen Moderne. Mit einem Œuvre von annähernd 10 000 Werken wurden nicht allein zu seinen Lebzeiten zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen ausgerichtet. Bis heute ist das Interesse an seinen Arbeiten unverändert hoch. Und doch: Es gab noch keine Ausstellung, die sich umfassend mit Klees Verhältnis zur Abstraktion auseinandergesetzt hat. Diese Lücke schließt die Schau der Fondation Beyeler und mit ihr der begleitende Katalog, der von aufschlussreichen Texten renommierter Autoren »untermalt« wird. Als roter Faden ziehen sich vier Themengruppen – Natur, Architektur, Malerei und Schriftzeichen – durch Klees Werk, deren Formenrepertoire immer wieder zwischen Halbgegenständlichem und absolut Abstraktem oszilliert und die hier in eigenen Kapiteln untersucht werden. So lassen sich nicht nur vertiefte Erkenntnisse über seine Beschäftigung mit der Abstraktion gewinnen, auch offenbaren sich neue Bezüge zu Zeitgenossen sowie zu Künstlern späterer Generationen.

Die Ausstellung «KLEE» wird grosszügig unterstützt durch:
Beyeler-Stiftung
Annetta Grisard
Hansjörg Wyss,
Wyss Foundation
L. & Th. La Roche Stiftung
Simone C. und Peter Forcart-Staehelin
Walter Haefner Stiftung
Medienpartner
