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Katharina Schlipf, Bühnen- und Kostümbildnerin

Balthus Discuss – Räumlicher Aufbau, Figuren und Requisiten in Balthus Gemälden

«Komischerweise berühren uns die Szenerien von Balthus emotional stark. Besonders seine Mädchenbildnisse berühren intimer als das vermutlich auf einer Bühne im Kontext eines Theaterstücks der Fall wäre.»
Katharina Schlipf, Bühnen- und Kostümbildnerin

Was inspiriert Sie als Bühnen- und Kostümbildnerin?
Katharina Schlipf: Die Inspiration für ein Bühnenbild steht in meiner Arbeit immer stark im Kontext zum jeweiligen Stück. Der erste Schritt sich einem Stück zu nähern ist der Text beim Schauspiel und das Libretto und die Musik bei der Oper. Ich mache mich durch mehrmaliges Lesen mit dem Text vertraut und arbeite so die texteigene Kernaussage eines Stückes heraus. Durch den Text und die Musik entstehen oft schon erste Bilder und Stimmungen die ich später mit dem Bühnenbild darstellten möchte. Im nächsten Schritt lese ich Sekundärliteratur.
Ich beschäftige mich mit dem Autor, der Zeit in der das Stück geschrieben und aufgeführt wurde, und mit der Rezension des Stückes. Wie ist es historisch aufgeführt worden? Welche Intention hatte der Autor zu seiner Zeit? Wie ist es vom Publikum aufgenommen worden und auch diskutiert worden? Wie sah die historische Ausstattung aus?
Da ein Stück oftmals schon eine Aufführungstradition hat recherchiere ich auch bedeutende Aufführungen die es zu diesem Stück gab und schaue mir dabei auch die Bühnenbilder an die zu diesem Stück bereits erarbeitet wurden.
Im Falle einer Verfilmung schaue ich mir auch Filmmaterial zum Thema an. In dieser Arbeitsphase kommt die Diskussion mit dem Regisseur dazu. Zusammen mit dem Regisseur erarbeite ich das Regiekonzept, das unsere Sicht auf das Stück zeigen soll. Nach der Ausarbeitung unsere Kernaussage kommt die visuelle Recherche. Wenn das Stück an einem Ort spielt den man besichtigen kann fahre ich hin um die Stimmung des Ortes einzufangen. Zu der Oper «Tod in Venedig» habe ich mir das Hotel in der die Geschichte spielt und Venedig als Stadt angeschaut. Das labyrintartige der Stadt und der weiße Nebel der Venedig einhüllt sind später abstrahiert als tragende Elemente ins Bühnenbild und die Lichtstimmung mit eingeflossen. Für die Recherche zu «Krabat», ein Handlungsballett nach dem gleichnamigen Roman von Ottfried Preußler habe ich mir historische Mühlen angesehen. In einer Mühle bin ich auf die historischen Mehlsäcke gestoßen die ich von ihrer Materialität her so schön und typisch fand, dass ich später das gesamte Bühnenbild aus 1500 aufgestapelten Mehlsäcken gebaut habe.
Natürlich dienen mir auch Filme, Fotografie, bildende Kunst, Architektur und Mode stets als große Inspirationsquelle.
Weitere Schritte im Bühnenbildprozess sind dann später Modellbau, Konstruktionszeichneung und die erarbeitung des Lichtkonzepts. Ich begleite am Ende dann auch den Bühnenbau und die Proben des jeweiligen Stücks.
Die Arbeit an einem Bühnenbildkann bis zu zwei Jahren in Anspruch nehmen. Die Mittel die ich zur Umsetzung eines Bühnenbilds zur Verfügung habe (Budget, Werkstätten vor Ort) variieren von Theater zu Theater.

Inwiefern sind Kunstwerke/Gemälde auch Bühnenbilder?
Katharina Schlipf: Bei Balthus Bildern Kann man von inszenierten Räumen sprechen. Seine Bilder sind atmosphärisch stark aufgeladen. Meist sind es Räume in denen ein Protagonist ausgestellt ist. Oftmals sind es hermetisch abgeschlossene Räume in denen die Szenerie wie auf einer Theaterbühne von einem Spotlight beleuchtet ist. Dieses dramatische Mittel, das schon Piero della Francesca oder auch Caravaggio in ihrer Malerei bedienten, findet sich bei Baltus oftmals wieder. Es sind Bilder die somit wie eine eingefrorene Theaterszene anmuten. Der Betrachter wird zum Zuschauer, er spinnt in Gedanken die Szenerie für sich weiter. Komischerweise berühren uns die Szenerien von Balthus emotional stark. Besonders seine Mädchenbildnisse berühren intimer als das vermutlich auf einer Bühne im Kontext eines Theaterstücks der Fall wäre.

Wie äussert sich Balthus‘ Erfahrung als Bühnenbildner in seinen Werken?
Katharina Schlipf: Ich kann nicht bewerten ob sich seine Erfahrungen als Bühnenbildner tatsächlich auch in seinen Werken äussert. Allerdings finde ich, dass sich Gedanken aus der damals neuen Theatertheorie wie Arteaus «Theater der Grausamkeit» oder Camus «Absurdes Theater» in seinen Werken wiederspiegelt.

Zu welchem Theater/Bühnenstück würden sich Balthus‘ Kulissen eignen und weshalb?
Ich finde, dass es Balthus gelungen ist explizite Bühnenbilder für die Theaterstücke zu entwickeln. Ein fragmentarischer Raum wie Arteaus «Les Cenci», einen Bühnenmaschinerieraum für Camus «Belagerungszustand» oder historisch angelehnte, barocke Kulissen für Mozarts «Cosi van Tutte». Im Gegensatz zu Bildern bei denen ein Künstler allein für den Inhalt verantwortlich ist, ist die Arbeit eines Bühnenbildners das Zusammenspiel von Regie, Darstellen, Licht und Ausstattung. Der Unterschied ist, dass ein Bühnenbildner nicht allein arbeitet und diesbezüglich auch Kompromisse machen muss. Allerdings sind diese Faktoren auch eine Bereicherung in seinem Arbeitsprozess.

Wie schaffen Sie in Ihren Bühnenbilder Stimmung?
Katharina Schlipf: Meine Bühnenbilder sind Räume die einen psychischen Zustand einer Gesellschaft oder des Protagonisten wiederspigeln sollen. «Seelenräume» wenn man so will. Es ist mir wichtig, dass ich für einen Bühnenraum ein Material oder auch eine Bewegung des Raumes finde, die den psychischen Zustand des Protagonisten, oder auch der Gesellschaft widerspiegelt, gegen die ein Protagonist ankämpfen muss.
Ist der Protagonist darin gefangen? Steht der Raum für ein System aus dem es auszubrechen gilt? Meist arbeite ich mit Räumen die in sich geschlossen sind, selbst annähernd realistische Räume haben nie ein Fenster.
Wird der Protagonist vom Raum erdrückt? Bringt der Raum später eine ersehnte Flucht in die Freiheit? Das alles gilt es mit dem Raum auszudrücken. Im Gegensatz zur Architektur ist es meiner Ansicht nach wichtig auch Materialien zu finden die mit dem Zuschauer Kommunizieren. Bestimmte Materialien sind in unserer Gesellschaft konotiert, So ist Erde zum Beispiel Geburt und Tod, oder Holzvertäfelung steht für aristokratische Räume die auch mit einer gewissen Strenge oder Spießigkeit zu tun haben. Wichtig ist mir, dass der Zuschauer etwas mit dem Raum assoziiren kann, auch wenn dieser nicht realistisch ist. Es geht darum mit Material und Licht einen Raum aufzubauen der die Stimmung der Welt widerspiegelt in der das Stück spielt und diese Welt unterstützt, oder diese zu Fall bringt.

Was entdeckst Du in der Ausstellung «Balthus»?

What do you discover in the exhibition "Balthus"?