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7. Februar – 9. Mai 2010

Henri Rousseau (1844–1910) hat mit seiner Malerei Grenzen überwunden und neues Terrain betreten. Der Zollbeamte Rousseau hatte keine Kunstschule besucht und malte zunächst nur in seiner Freizeit Bilder, die ausserhalb der akademischen Tradition lagen. Lange als naiver Maler verkannt, schaffte er den Durchbruch in den Pariser Salons erst spät. Es waren Dichter wie Apollinaire und Künstler wie Picasso, Léger, Delaunay und später Kandinsky, die als erste seine herausragende Bedeutung erkannten. Hundert Jahre nach seinem Tod widmet die Fondation Beyeler diesem Pionier der klassischen Moderne eine Ausstellung mit rund 40 seiner Meisterwerke. Zu entdecken sind Rousseaus aussergewöhnliche Portraits und seine poetischen Bilder von französischen Städten und Landschaften, in denen er im Alltäglichen den Übergang zum Geheimnisvollen sichtbar macht. Höhepunkt der Ausstellung ist eine bedeutende Gruppe von Rousseaus berühmten Dschungelbildern. Nie hat er einen Urwald gesehen, umso phantasievoller und farbenprächtiger erschuf er sich den Dschungel und seine exotischen Bewohner in seiner Malerei. Mit seinen wunderbaren, oft traumhaften Bildkompositionen steht Rousseau für die Wiederentdeckung der Phantasie am Anfang der Moderne. Es gelang ihm so, der Kunst neue Welten zu eröffnen, welche etwa die Kubisten und die Surrealisten beeinflussten und bis heute kleine und grosse Kunstliebhaber begeistern.

Zahlreiche renommierte Museen und Privatsammlungen in Europa und Amerika haben mit ihren Leihgaben zum Gelingen dieser Ausstellung beigetragen, darunter die National Gallery, London, das Solomon R. Guggenheim Museum, New York, und das State Hermitage Museum, St. Petersburg. Eine grosse Anzahl von Bildern stammt aus dem Musée national de l’Orangerie, dem Museé d’Orsay und dem Musée national Picasso in Paris.

Die Ausstellung und der sie begleitende Katalog wurden konzipiert von Philippe Büttner, Kurator der Fondation Beyeler, in Zusammenarbeit mit Christopher Green, Professor emeritus für Kunstgeschichte am Courtauld Institute, London. Green war Co-Kurator der Ausstellung Henri Rousseau: Jungles in Paris, die 2005/06 in der Tate Modern, dem Grand Palais in Paris und der National Gallery of Art, Washington, D.C., zu sehen war.

Saalheft 

Katalog «Henri Rousseau»

Der Surrealist André Breton sagte über Henri Rousseau, man könnte bei seinem Werk zum ersten Mal über "magischen Realismus" sprechen. Henri Rousseau gilt als Vorreiter des Surrealismus. Er hatte zu Lebzeiten mit seiner auch als naiv bezeichneten Malerei einen schweren Stand. Spott und Hohn wurden ihm oft zuteil. Längst hat Henri Rousseau jedoch seinen Platz in der Kunstgeschichte gefunden. Seine avantgardistische, traumnahe Sichtweise der Welt war zu seiner Zeit für viele wohl zu weit entfernt von den üblichen Sehgewohnheiten.

Anlässlich des 100. Todestages von Henri Rousseau erschien der Katalog zur Ausstellung "Henri Rousseau". Die Monografie mit Essays von Philippe Büttner, Christopher Green, Franz Hohler und Daniel Kramer stellt mit ca. vierzig Hauptwerken des Künstlers einen umfassenden Überblick über sein Schaffen dar

Im Mittelpunkt steht dabei Rousseaus Faszination für den Gegensatz zwischen der gezähmten westlichen Welt und der wilden Natur. Seine Darstellungen wirken poetisch, verträumt und weltfern. Gerade diese, magisch reale Sichtweise schafft jedoch eine unglaubliche Nähe seiner Kunst zum Betrachter.

Noch nie gezeigte Werkbegegnungen präsentieren Rousseau in einem ganz neuen Licht und erlauben es, ihn jenseits des Klischees vom "grossen Naiven" als einzigartigen Künstler zu entdecken, der mit seinem Schaffen der Moderne völlig neue Möglichkeiten eröffnet hat. Eine ausführliche Biografie gibt Einblick in Henri Rousseaus Werdegang.

Link zum Katalog

Biographie

Henri Rousseau (1844–1910)

1844 Henri Rousseau wird am 21. Mai in Laval (FR) geboren.

1868 Zieht nach Paris, wo er als Schreiber bei einem Gerichtsvollzieher arbeitet.

1869 Heirat mit Clémence Boitard (gest. 1888).

1871 Er nimmt eine Stelle bei der städtischen Zollbehörde von Paris an. Womöglich erste Malversuche.

1884 Erhält die Genehmigung, im Louvre und anderen Pariser Museen zu Studienzwecken kopieren zu dürfen.

1885 Rousseau stellt im Salon des Refusés erstmals zwei Bilder aus. Er wohnt im Quartier Montparnasse, das er auch während seiner folgenden Atelierwechsel nicht mehr verlassen wird.

1886 Teilnahme am juryfreien Salon der 1884 gegründeten Société des Artistes

Indépendants, wo er (mit Ausnahme von 1899 und 1900) jedes Jahr ausstellt.

1889 Besuch der Weltausstellung in Paris, die ihn sehr beeindruckt und zu einem Vaudeville in 3 Akten inspiriert mit dem Titel Une visite à l’exposition de 1889.

1893 Im Dezember geht er mit einer kleinen Rente vorzeitig in den Ruhestand, um sich fortan ganz der Malerei zu widmen. Begegnung mit dem Dichter Alfred Jarry.

1899 Heirat mit Joséphine Noury (gest. 1903).

1901 Grosse finanzielle Probleme. Rousseaus Frau eröffnet einen Schreibwarenladen und bietet auch Gemälde ihres Mannes zum Verkauf an.

1905 Im Salon d’Automne zeigt Rousseau das Dschungelbild Le lion, ayant faim (Saal 9). Es ist sein erstes Gemälde, das eine Jury passiert.

1906 Lernt den jungen Maler Robert Delaunay kennen, der zu einem seiner engsten Malerfreunde und grössten Bewunderer wird. Zweite Teilnahme am Salon d’Automne mit dem Werk Joyeux farceurs (Saal 9). Bekanntschaft mit dem Dichter Guillaume Apollinaire.

1907 Im Salon d’Automne stellt er das wichtige Dschungelbild La charmeuse de serpents (Saal 9) aus, das von Delaunays Mutter erworben wird. Rousseau lässt sich in einen Bankbetrug hineinziehen, wofür er kurze Zeit im Gefängnis sitzt und 1909 zu einer Geldstrafe und zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt wird.

1908 Pablo Picasso kauft bei einem Trödler auf dem Montmartre Rousseaus Portrait de femme (Saal 5) und veranstaltet in seinem Atelier das legendäre »Banquet Rousseau« zu Ehren des Malers. Unter den Gästen befinden sich unter anderen Georges Braque, Fernande Olivier, Marie Laurencin, Guillaume Apollinaire, Max Jacob, Gertrude und Leo Stein. Rousseau gibt Musik- und Zeichenunterricht und organisiert sogenannte »Soirées familiales et artistiques«, wo neben Leuten aus dem Quartier auch die jungen Künstler der Avantgarde wie Picasso, Braque, Delaunay oder Brancusi anzutreffen sind.

1909 Verkauft Bilder an seinen späteren Biographen Wilhelm Uhde und an die Kunsthändler Ambroise Vollard und Joseph Brummer.

1910 Im Salon des Indépendants zeigt er das monumentale Dschungelbild Le rêve (The Museum of Modern Art, New York). Am 2. September stirbt Rousseau an einer Blutvergiftung. Nur 7 Personen kommen zur Beerdigung, darunter Paul Signac sowie Sonia und Robert Delaunay. Apollinaire verfasst später die Grabinschrift, die Brancusi und Ortiz de Zarate in den Grabstein meisseln.

1911 widmet der Salon des Indépendants dem verstorbenen Künstler eine von Delaunay organisierte Retrospektive mit über 40 Werken.

1933 organisiert die Basler Kunsthalle die erste grosse Rousseau-Retrospektive.