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18. Mai – 7. September 2014

Die Fondation Beyeler widmet Gerhard Richter (*1932 in Dresden, lebt in Köln), dem wohl bedeutendsten Künstler unserer Zeit, die bisher grösste Ausstellung in der Schweiz. Thema sind erstmals Richters Serien, Zyklen und Räume. Diese Werkgruppen werden von – vielfach zu modernen Ikonen gewordenen – Einzelwerken des Künstlers begleitet, die einen Kontrapunkt bilden. Zu sehen sind rund 100 Bilder, darunter figurative Porträts, Stillleben und Landschaften ebenso wie abstrakte Gemälde, ausserdem zwei Glasobjekte und 64 übermalte Fotografien. Die Werkauswahl umfasst die wichtigen Schaffensperioden seit 1966 und schliesst auch jüngst entstandene, bislang öffentlich nicht gezeigte Arbeiten mit ein.

In den sechzig Jahren seiner künstlerischen Tätigkeit hat Richter ein Œuvre hervorgebracht, das sich durch thematische und stilistische Vielfalt auszeichnet. Die Motive seiner figurativen Werke setzt er unter Verwendung fotografischer Vorlagen in Malerei um. Die abstrakten Gemälde reichen von farbigen Bildern über monochrome Flächen bis hin zu digital generierten Kompositionen. »Wenn die Abstrakten Bilder meine Realität zeigen, dann zeigen die Landschaften oder Stilleben meine Sehnsucht«, schrieb der Künstler 1981. Auch mit der jüngeren Geschichte beschäftigt sich Richter. So wird in der Ausstellung der legendäre fünfzehnteilige Zyklus aus dem Museum of Modern Art, New York, zu sehen sein, der sich mit dem 18. Oktober 1977 und den Ereignissen um die Rote Armee Fraktion befasst.

Richter studierte in den Fünfzigerjahren Wandmalerei an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Zahlreiche Skizzen und Aussagen belegen, welch massgebliche Rolle der architektonische Kontext seitdem für ihn spielt: »Das ist so ein Traum von mir – daß die Bilder zum Umfeld werden, selbst Architektur werden.« Richters Interesse am wechselseitigen Verhältnis von Einzelbild, Werkgruppe und Umgebungsraum wird in der in engem Austausch mit dem Künstler von Kurator Hans Ulrich Obrist konzipierten Ausstellung anschaulich gemacht.

S. mit Kind, 1995

Die realistischen Darstellungen dieses achtteiligen Portraitzyklus rücken Mutter und Kind ins Zentrum, die sich den Betrachtenden von verschiedenen Seiten in teils sehr intimen Nahansichten darbieten. Die Gemälde basieren auf persönlichen Fotografien, entfalten aber zugleich Bezüge zum Topos der Madonnenbilder und bringen die Frage nach dem Verhältnis von Tradition und Gegenwart auf ikonografischthematischer Ebene mit ins Spiel. Die Malschichten hat Gerhard Richter in wechselnder Intensität bearbeitet, sodass acht Werke mit ganz unterschiedlichen Oberflächenstrukturen und variierendem Abstraktionsgrad entstanden sind. Es sei, so der Künstler, »wie bei einem Musikstück: Es sind acht kleine Sätze – liebliche, herbe, wie es halt so kommt.« Die acht Gemälde sind durch ihr intimes Sujet zu einer Einheit verbunden und gehören als Gruppe fest zusammen, und doch kann jedes Portrait aufgrund der Qualität der Bildschärfe, der Wahl des Blickwinkels und der Ausleuchtung als unabhängiges Einzelwerk wahrgenommen werden.

Verkündigung nach Tizian, 1973

Während eines Venedig-Aufenthalts 1972 sah Gerhard Richter in der Scuola Grande di San Rocco Tizians Gemälde der Verkündigung, für das er sich sehr begeisterte: »Ich wollte es für mich haben, für meine Wohnung, ich wollte es also kopieren, so gut es geht. Aber es gelang mir nicht, eine halbwegs ansehnliche Kopie zu machen. Danach malte ich die fünf Variationen der Verkündigung, die nicht viel mit der Tizianischen Verkündigung zu tun haben, aber mit denen ich ganz zufrieden war.« In allen fünf Versionen hat Richter die durch das Vorbild vorgegebene Aufteilung in eine linke Bildzone mit dem Engel und eine rechte mit Maria in freier Form übernommen. Auch wenn sich die Figuren zusehends in abstrakte Farbstrudel auflösen, bleibt durch das Festhalten an den Rot-, Blau- und Schwarztönen der Bezug zum ursprünglichen Motiv gewahrt. Im Unterschied zu den Acht Lernschwestern geht es in der Tizian-Serie nicht um die Suche nach der formalen Ähnlichkeit des Sujets, sondern um das Verhältnis eines Themas zu den Möglichkeiten seiner Variationen. In steigenden Abstraktionsgraden näherte sich Richter dem Renaissancebild an. Das Gemälde mit der stärksten Unschärfe ist nicht etwa die letzte, sondern die zweite Fassung. Die erste und die zweite Version stecken so den Rahmen ab für die »fehlenden« Zwischenschritte. Gleichzeitig wird das unschärfste Bild nicht zum endgültigen Ergebnis des schöpferischen Prozesses, sondern zu einer möglichen Lösung unter vielen.

Wald, 2005

Der zwölfteilige Wald-Zyklus behauptet sich an der Grenze zwischen gegenständlicher und abstrakter Malerei. Vertikale und horizontale Striemen, Linien und Farbbänder strukturieren die Bildflächen vor verdunkelten Hintergründen. Abrupt ansetzende und abbrechende Schleifspuren durchfurchen die Leinwände. Raumtiefe wird mittels übereinanderliegender Schichten evoziert. Dunkle und geheimnisvolle Szenerien offenbaren sich als Möglichkeitsräume für eigene Entdeckungen. Insbesondere in der Zeit der deutschen Romantik ist der Wald als Bildmotiv stark verankert. Als sinnstiftende Gegenwelt und Sehnsuchtsort ist er prädestiniert für das Irrationale und Mystische. Gerhard Richters Wald-Zyklus lässt einen Raum vielschichtiger Emotionen entstehen, der die grosse Spannung zwischen Verlorenheit und Geborgenheit spürbar macht. In den mächtigen Gemälden wird das Schaffen des Malers, sein Suchen und Experimentieren während des Malprozesses, sinnlich nachvollziehbar. Richter selbst benennt das Gefühl der Ratlosigkeit als »stärkste Motivation zum Malen und beim Malen. Der Wald hat ja allgemein eine besondere Bedeutung, in Deutschland vielleicht noch mehr als anderswo. Im Wald kann man sich verirren, verlassen sein, aber auch geborgen fühlen, im Dickicht gefangen. Ein schönes romantisches Thema.«

Biographie

GERHARD RICHTER *1932

Gerhard Richter wird am 9. Februar 1932 in Dresden geboren. Er wächst in Reichenau und Waltersdorf in der Oberlausitz auf.

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Auf den Spuren von John Cage

Am 2. Juli 2014 spielt die US-amerikanische Perkussionistin und Komponistin Robyn Schulkowsky Stücke von John Cage. Gerhard Richter spricht mit Bewunderung über John Cage, dessen Kompositionen und die Verwendung von Zufallsverfahren. 2006 malte Richter die Werkgruppe Cage, die in der Ausstellung gezeigt wird.

Interview mit Robyn Schulkowsky

Perkussionistin Robyn Schulkowsky im Gespräch mit Mirjam Baitsch (Fondation Beyeler) anlässlich ihres Konzertes in der Fondation Beyeler.

Katalog «Gerhard Richter»

In den 60 Jahren seiner künstlerischen Tätigkeit hat Gerhard Richter (* 1932 in Dresden) ein Maßstäbe setzendes Œuvre hervorgebracht, dessen thematische und stilistische Vielfalt in der Malerei unserer Zeit nichts Vergleichbares kennt. Die groß angelegte Monografie vereint erstmals eine Vielzahl von als Serien, Zyklen und Räume realisierten Werken aus allen Schaffensperioden des Künstlers. Präsentiert werden zum einen figurative Arbeiten wie Landschaften, Stillleben und Porträts, bei denen häufig Fotos als Vorlagen dienen, wie etwa im Fall des Zyklus S. mit Kind, einer intimen und persönlichen Variation der Madonnendarstellung. Zum anderen werden aber auch abstrakte Werke gezeigt, für die Gerhard Richter aus einem wechselnden Formen- und Farbenrepertoire schöpft und dem sowohl kleinformatige als auch monumentale Gemälde entspringen. Dem Betrachter eröffnet der großformatige Band das erstaunliche Spektrum von Richters Malerei in all ihren Dimensionen und Techniken. (Englische Ausgabe ISBN 978-3-7757-3805-7)

Hrsg. Hans Ulrich Obrist, Fondation Beyeler, Texte von Georges Didi-Huberman, Dietmar Elger, Michiko Kono, Hans Ulrich Obrist, Dieter Schwarz, Gestaltung von Uwe Koch
Deutsch, 2014, 192 Seiten, 225 Abb., 28,00 x 31,50 cm, gebunden

ISBN 978-3-7757-3804-0

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