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30. September 2012 – 27. Januar 2013

Erstmals seit zwanzig Jahren ist in der Schweiz und in Süddeutschland eine Ausstellung von Edgar Degas (1834 –1917), einem der berühmtesten französischen Maler des ausgehenden 19. Jahrhunderts, in der Fondation Beyeler zu sehen. Gleichzeitig ist es auch die erste Ausstellung überhaupt, die ausschliesslich seinem reichen und vielseitigen, ab etwa 1886 entstandenen Spätwerk gewidmet ist. Dieses markiert die künstlerische Vollendung eines kühnen Wegbereiters der Moderne.

Obwohl sich die Kunst von Edgar Degas einer grossen Beliebtheit erfreut, beschränken sich die Ausstellungen zumeist auf seine impressionistische Schaffensphase (um 1870 –1885) oder auf Einzelaspekte seines Œuvre. Die über 150 Werke umfassende Ausstellung der Fondation Beyeler greift alle Themen und Motive auf, die prägend für Degas’ Spätwerk waren – faszinierende Darstellungen von Tänzerinnen und weiblichen Akten, von Jockeys und Rennpferden sowie überraschende Landschaften und Porträts.

Dabei werden alle Medien, derer sich Degas bedient hat, miteinbezogen: Malerei, Pastell, Zeichnung und Druckgrafik ebenso wie Skulptur und Fotografie. Degas, der wie kein anderer Künstler seiner Zeit mit einer Vielzahl künstlerischer Ausdrucksformen experimentierte, hat sein sinnliches, farblich entfesseltes Spätwerk in einem obsessiven Rausch geschaffen, in dem sich Gegenwart und Vergangenheit, Gesehenes und Erinnertes unauflösbar durchdringen.

Die Ausstellung vereinigt Meisterwerke aus Sammlungen wichtiger europäischer, nordamerikanischer, asiatischer und australischer Museen. Von besonderer Bedeutung sind auch die zahlreichen Leihgaben aus renommierten Privatsammlungen. Es handelt sich dabei oftmals um Werke, die seit Jahrzehnten nicht mehr öffentlich zu sehen waren.

Einführung in die Ausstellung «EDGAR DEGAS»

Edgar Degas -- Das Spätwerk in der Fondation Beyeler. Gastkurator Martin Schwander spricht über das Konzept der Ausstellung und das Werk "Jockey blessé".

Katalog zur Ausstellung

Das Spätwerk

Jenseits lieblicher Ballettszenen und graziler Tänzerinnen: Wiederentdeckung des vielfältigen Ausdrucksspektrums und der künstlerischen Virtuosität eines kühnen Wegbereiters der Moderne.

Angesichts der beliebten, »schönen« Bilder aus der impressionistischen Phase von Edgar Degas (1834–1917) gerät die Komplexität seines Gesamtwerks leicht aus dem Blick. Degas experimentierte zeitlebens mit druckgrafischen Techniken und Mitteln der Zeichnung sowie Fotografie und Plastik. Die delikate Feinmalerei der reifen Schaffenszeit weicht im Spätwerk (1886–1910/12) einer einzigartigen technischen Experimentierfreude und obsessiven Schaffensweise, die die Darstellungsmittel zunehmend von ihrer Abbildfunktion befreien. Wie in einem traumartigen Zustand, der Gegenwart und Vergangenheit, Gesehenes und Erinnertes vereint, entstanden so Aktdarstellungen und Ballettszenen, aber auch Landschaften und Porträts. Die Publikation stellt erstmals ausführlich die technische Vielfalt und thematische Bandbreite in Degas’ Œuvre heraus.

Mit Beiträgen von Carol Armstrong, Jonas Beyer, Richard Kendall, Martin Schwander, Mareike Wolf-Scheel, Interview mit Jeff Wall von Martin Schwander.

268 Seiten, ca. 250 farbige Abbildungen, 25,00 x 31,00 cm, Leinen mit Schutzumschlag.

ISBN 978-3-7757-3442-4 

Link zum Katalog

Biographie

Edgar Degas, 1834–1917

1834 Hilaire Germain Edgar De Gas wird am 19. Juli in Paris als ältestes von fünf Kindern des wohlhabenden Bankiers Auguste De Gas und seiner Ehefrau Marie Célestine Musson geboren.

1845–1853 Edgar besucht das traditionsreiche Pariser Lycée Louis-le-Grand, wo er auch Zeichenunterricht erhält.

1847 Die Mutter des dreizehnjährigen Edgar stirbt. Er beginnt die Pariser Museen zu besuchen.

1853 Degas erhält die Genehmigung, im Musée du Louvre und in der grafischen Sammlung der Bibliothèque nationale Kopien anzufertigen. Sein Hauptinteresse richtet sich dabei auf die italienischen Meister der Renaissance wie Leonardo da Vinci oder Michelangelo. Auf Wunsch des Vaters schreibt sich Degas zum Jurastudium ein, das er jedoch nicht zu Ende führt.

1855 Durch Vermittlung des Sammlers Edouard Valpinçon macht Degas Bekanntschaft mit dem von ihm bewunderten 75-jährigen Jean Auguste Dominique Ingres, was für ihn zu einem zeitlebens prägenden Erlebnis wird. Im April erhält Degas einen der begehrten Studienplätze an der Pariser Ecole des Beaux-Arts, die er jedoch bald darauf wieder verlässt.

1856–59 Degas verbringt fast drei Jahre in Italien, während deren er Hunderte von Studien nach Gemälden der italienischen Meister des 14. bis 16. Jahrhunderts zeichnet. Nach Paris zurückgekehrt verlässt er die väterliche Wohnung und bezieht ein Atelier in der Rue Laval in der Nähe des Boulevard de Clichy.

1860–65 Degas befasst sich mit der Historienmalerei. Es entstehen Bilder mit biblischen, literarischen, geschichtlichen und mythologischen Themen. Zur gleichen Zeit beginnt er Studien von Reitern, Pferden und Rennplatzszenen zu fertigen, womit er sich einem Motivbereich zuwendet, der ihn zeitlebens beschäftigen wird.1862 begegnet er Edouard Manet, mit dem sich eine langjährige Künstlerfreundschaft entwickelt und der ihn mit der Gruppe der späteren Impressionisten bekanntmacht.

1866 Degas wendet sich von den historischen Sujets ab und richtet sein künstlerisches Interesse ganz auf das Grossstadtleben in Paris. Seine Motive wird er in den kommenden Jahrzehnten ausser auf den Pferderennplätzen in der Oper, den Ballett-, Konzert- und Theatersälen, in Caféhäusern, Modesalons, Galerien und Museen, in Wäschereien und Bordellen finden.

1869 Degas arbeitet erstmals in der Pastelltechnik, die für ihn zu einem zentralen zeichnerisch-malerischen Ausdruckmittel werden wird.

1870 Als im Juli Frankreich Preussen den Krieg erklärt, meldet sich Degas als Freiwilliger zur Garde nationale und wird wie Manet einer Artillerieeinheit zugeteilt.

1871 Degas unternimmt erste Besuche in der Pariser Oper und malt Balletttänzerinnen, die er von nun an in den unterschiedlichsten Situationen und Posen festhalten wird und die sich zu einem Hauptbildmotiv des Künstlers entwickeln werden. Er verspürt erste Anzeichen eines Augenleidens, die seine Besorgnis erregen.

1872 Degas begibt sich auf eine mehrmonatige Reise nach New Orleans in Louisiana zur Familie seiner Mutter.

1874 Durch den Tod des Vaters gerät die Familie in schwierige wirtschaftliche Verhältnisse. Degas hat als ältester, unverheirateter Sohn den Hauptteil zum Unterhalt der Familie zu erbringen und ist stärker als zuvor gezwungen sich um Verkäufe seiner Werke zu bemühen. Er nimmt aktiven Anteil an den Vorbereitungen der ersten Ausstellung einer Künstlergruppe, für die sich bei dieser Gelegenheit auch die Bezeichnung Impressionisten einbürgert. Die Ausstellung wird vom Publikum negativ aufgenommen, wenn auch bei einigen Kritikern der Beitrag Degas’ eine positive Resonanz hervorruft.

1878 Das Museum von Pau in Südwestfrankreich erwirbt ein Ölgemälde, womit erstmals eine Arbeit des Künstlers in eine öffentliche Kunstsammlung gelangt.

1881 Degas zeigt auf der sechsten Impressionisten-Ausstellung neben anderen Werken erstmals eine plastische Arbeit, die mit realer Kleidung und Haaren ausgestattete Wachsstatue Petite danseuse de quatorze ans. Sie löst beim entsetzten Publikum wegen ihrer Ungeschöntheit und lebensechten Ausstrahlung einen Skandal aus.

1884 Um diese Zeit wendet sich Degas verstärkt dem Bildthema des weiblichen Akts bei der Körperpflege zu, das neben dem der Tänzerin einen zentralen Stellenwert innerhalb seines Gesamtwerks einnehmen wird.

1885 Degas besucht weiterhin häufig die Aufführungen der Pariser Oper und gehört zu den wenigen, denen der Aufenthalt hinter der Szene gestattet ist.

1886 Degas nimmt an der achten und letzten Impressionisten-Ausstellung teil. Neben Georges Seurats Gemälde Un dimanche à la Grande Jatte sind Degas’ Frauenakte das grosse Ereignis der Schau, zu denen fast alle Kritiker, positiv oder negativ, Stellung nehmen. In den folgenden drei Jahrzehnten distanziert sich Degas zunehmend von der kunstinteressierten Öffentlichkeit. Es finden nur mehr wenige vom Künstler autorisierte Einzelausstellungen statt.

1892 In Paris zeigen die Galeries Durand-Ruel ihre erste Einzelausstellung mit Werken von Degas. Zu sehen ist eine Auswahl seiner seit 1890 entstandenen farbigen Landschaftsmonotypien.

1893 Degas widmet sich verstärkt dem Aufbau einer eigenen Kunstsammlung und erwirbt zahlreiche Werke unter anderem von El Greco, Ingres, Eugène Delacroix, Honoré Daumier, Edouard Manet, Camille Pissarro, Paul Cézanne, Paul Gauguin und Vincent van Gogh.

1894 Sein sich stetig verstärkendes Augenleiden macht Degas das Arbeiten immer schwieriger. Dennoch entstehen nach wie vor Pastelle und Kohlezeichnungen von Tänzerinnen und Frauen bei der Toilette, daneben widmet er sich weiterhin der Bildhauerei.

1895 Degas beschäftigt sich – möglicherweise bis in das folgende Jahr – intensiv mit der Porträtfotografie. Bevorzugt in Innenräumen macht er Gruppen- und Einzelaufnahmen von Freunden und Bekannten.

1897 Degas lebt zunehmend zurückgezogen. Mit seiner Parteinahme gegen Alfred Dreyfus in der 1894 um den Offizier jüdisch-elsässischer Herkunft begonnenen Affäre nimmt er die Gegenposition zum Standpunkt vieler Intellektueller und Künstler ein, was ihn noch einsamer werden lässt.

1908 Degas’ künstlerische Tätigkeit umfasst bis ungefähr um diese Zeit Zeichnungen und Pastelle, die sein unvermindertes Interesse an Porträts, Rennplatzszenen, Wäscherinnen- und Modistinnendarstellungen, vor allem aber an dem Motiv der Balletttänzerin und dem des weiblichen Akts bei der Körperpflege bezeugen. Der weitgehende Verlust seiner Sehkraft zwingt ihn nun dazu, das Zeichnen und Malen aufzugeben. Er wendet sich verstärkt der Bildhauerei zu und modelliert Studien unter anderem von Tänzerinnen, Badenden und Rennpferden in Wachs, die jedoch erst nach seinem Tod in Bronze gegossen werden.

1912 Als Zeichen seiner stetig wachsenden internationalen Anerkennung sind weiterhin alljährlich Werke von Degas auf mehreren Ausstellungen in Frankreich, Europa und den Vereinigten Staaten zu sehen. Ebenso finden seine Arbeiten nach und nach Eingang in bedeutende europäische und amerikanische Privatsammlungen.
Durch den geplanten Abriss des Hauses in der Rue Victor-Massé 37, der früheren Rue Laval, in dem Degas seit 1890 zweiundzwanzig Jahre lang gelebt und gearbeitet hat, wird der fast erblindete 78-jährige Künstler zum Umzug gezwungen. Er findet eine neue Wohnung am Boulevard de Clichy 6, gibt aber die künstlerische Arbeit gänzlich auf. In seinen letzten Jahren lebt er sehr zurückgezogen und empfängt nur noch wenige Besucher.

1917 Am 27. September stirbt Edgar Degas an den Folgen eines Schlaganfalls. Er wird am folgenden Tag im Beisein von Künstlerkollegen im Familiengrab auf dem Pariser Cimetière du Nord in Montmartre beigesetzt.