Balthus, Le Roi des chats, 1935

Balthus wurde am 29. Februar 1908 als Balthasar Klossowski in Paris geboren. Bereits in jungen Jahren beschloss er, Maler zu werden. Le Roi des chats ist eines seiner wenigen Selbstbildnisse. Der 27-Jährige porträtierte sich hier in einer selbstsicheren Haltung als eleganter Dandy. Seine überlangen Beine und der seltsam verdrehte Kopf der Katze verleihen dem Bild etwas Bizarres. Nicht etwa Attribute wie Palette oder Pinsel verweisen auf das Metier des Künstlers, vielmehr ist es die recht unbescheidene Inschrift auf der Leinwand oder Steintafel, die an dem Hocker lehnt: «Ein Porträt von S.M. [Seiner Majestät] dem König der Katzen gemalt von ihm selbst, 1935.» In Balthus’ Leben und Werk spielten Katzen eine wichtige Rolle. Immer wieder tauchen sie in seinen Gemälden auf – nicht selten als Alter Ego des Künstlers. Im Gemälde von 1935 schmiegt sich eine von ihnen an das Bein ihres Herrchens, des Königs – des Dresseurs? Eine Peitsche auf dem Stuhl verweist auf die Utensilien eines Raubtierbändigers. Offensichtlich hat Balthus die Katze in seinem Bild bereits gezähmt.

Balthus, Thérèse rêvant, 1938

Trotz der Vielschichtigkeit seines malerischen Schaffens wird Balthus meist mit Bildern junger Mädchen assoziiert. Die Selbstvergessenheit und Unnahbarkeit, die er bei den Heranwachsenden beobachtete, faszinierten ihn an diesem Motiv. Seine Darstellungen von Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden bergen eine charakteristische Spannung zwischen kindlicher Unbekümmertheit und verführerischer Erotik. Thérèse rêvant ist eines der ersten und prominentesten Beispiele dafür. Die selbstsichere Pose, das abgewandte, nachdenkliche und gleichzeitig entspannte Gesicht verleihen Thérèse eine souveräne und sinnliche Ausstrahlung. Sie scheint sich unbeobachtet zu fühlen, entrückt von Zeit und Raum – oder lässt sie nicht doch bewusst ihre Verführungskraft auf den Betrachter wirken? In jüngster Vergangenheit erregte das Gemälde aus der Sammlung des Metropolitan Museum of Art in New York viel Aufmerksamkeit. In einer Petition wurde die Abhängung oder ein klärender Bildkommentar gefordert. Dies löste eine umfassende Debatte über die Freiheiten und Grenzen der Kunst aus sowie über die Verantwortung der Museen gegenüber Publikum und Künstler. In der Fondation Beyeler wird anlässlich dieser Ausstellung im Rahmen eines besonderen Vermittlungsprogramms die Möglichkeit zur Fortführung dieser Diskussion geboten.

Balthus, Le Cerisier, 1940

In Balthus’ OEuvre dominieren Interieurszenen, doch verstand er sich auch darauf, erlesene Landschaften zu gestalten. Le Cerisier malte Balthus 1940, kurz nachdem er den Krieg hautnah an der Front erlebt hatte. Vom Militärdienst freigestellt, verliess er Paris und zog sich in das unbesetzte savoyische Dorf Champrovent zurück. Das Gemälde gibt erst auf den zweiten Blick die Protagonistin zu erkennen. Ein Mädchen im dunklen Kleid steht auf einer Leiter und greift – versteckt im Schatten des Kirschbaums – nach einer Frucht. Ganz beiläufig wird der Betrachter Teil dieser idyllischen, harmonischen Szene. Während des Zweiten Weltkriegs hatte Balthus keine Bilder des Kriegs geschaffen. Auf die Frage, ob er denn nie das Bedürfnis gehabt habe, sich dem Thema zu widmen, antwortete er: «Es reicht schon, ihn [den Krieg] zu erleben. Als ich demobilisiert wurde, nach 1940, habe ich Le Cerisier gemalt. Das war der Ausdruck einer Freudenaufwallung. Eine Art, den Krieg, das Unglück, die Geschichte zum Teufel zu jagen.»

Balthus, Passage du Commerce-Saint-André, 1952–1954

Noch in seinem Pariser Atelier an der Cour de Rohan begann Balthus 1952 mit der Arbeit an seinem Hauptwerk Passage du Commerce-Saint-André, das er zwei Jahre später im Château de Chassy im Burgund vollendete. Das grossformatige Gemälde zeigt die Strassenecke, an der sich Atelier und Wohnung des Künstlers befanden. Balthus führt hier das 1933 in La Rue (Saal 2) verbildlichte Thema weiter und verwandelt eine real existierende Pariser Strasse in eine geheimnisvolle Theaterbühne, in der die Zeit gleichsam stillsteht. Vor dieser Kulisse scheinen die gespenstisch anmutenden, in sich gekehrten Akteure in ihrer Pose und Rolle erstarrt, als wären sie Personifikationen der drei Lebensalter: Kindheit, Erwachsenen- und Greisenalter. In Balthus’ Bildern dieser Zeit zeichnet sich auch ein markanter Wechsel in der Farbgebung ab: Vermehrt finden Pastelltöne Verwendung, über die sich eine Art gräulicher Schleier legt, wodurch die matte und raue Struktur der Bildoberfläche freskenartig hervorgehoben wird.

Balthus, La Chambre turque, 1965/66

La Chambre turque entstand Mitte der 1960er-Jahre, als Balthus als Direktor der Académie de France in Rom in der Villa Medici lebte. Das Bild überrascht durch seine üppige Ornamentik und orientalische Anmutung. Eine zierliche Frau ruht mit geöffnetem Morgenrock wie eine Odaliske auf einem Diwan im sogenannten »Türkischen Zimmer« der Villa und betrachtet sich im Spiegel. Aber blickt sie tatsächlich hinein? Balthus’ zweite Frau, die japanische Malerin Setsuko Ideta, hat als Modell für das Gemälde die traditionelle Pose der Venus eingenommen. Die matte Oberfläche von La Chambre turque, die aus der Verwendung von Kasein und Tempera resultiert, erinnert stark an die Freskenmalerei der Renaissance, die Balthus während seiner zahlreichen Aufenthalte in Italien immer wieder studiert hatte. Durch die intensive Beschäftigung mit der Restaurierung der baufälligen Renaissance-Villa während seiner Zeit in Rom wurde zudem seine Faszination für die Ornamentik geweckt. Die opulenten Fliesen, bunt verzierten Stoffe und aufwendigen Muster sind typisch für Balthus’ Spätwerk.

Balthus im Gespräch

JEDEN SONNTAG, 13–14 Uhr – Was fasziniert, irritiert oder überrascht Sie an Balthus' Bildern? Sagen Sie uns Ihre Meinung. Im Anschluss an die Öffentliche Führung am Sonntag (12-13 Uhr) werden Fragen zur Ausstellung, zu einzelnen Werken und zum Künstler aufgegriffen und mit den Museumsbesuchenden direkt vor den Bildern diskutiert. Die Teilnehmerzahl ist beschränkt. Preis: Öffentliche Führung: 7 CHF / Balthus im Gespräch als Zusatz, 13-14 Uhr: kostenlos

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